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Sächsischer Flüchtlingsrat

#unteilbar: Wenn Herkunft, Geschlecht oder sexuelle Orientierung keine Rolle spielen

7. Mai 2019 | Blog

In unserer Interview-Reihe porträtieren wir jene Organisationen, Bündnisse und Aktivist*innen, die im Oktober 2018 Teil der großen #unteilbar-Demo waren und deren Reden in der Anthologie #unteilbar – Für eine offene und solidarische Gesellschaft veröffentlicht wurden. Wir möchten wissen, wie es seit der Demo weiterging, welche neuen Projekte und Herausforderungen anstehen und wie man selbst ein Teil der #unteilbar-Bewegung werden kann. Diesmal sprechen wir mit Thomas vom Sächsischen Flüchtlingsrat e.V. über die Arbeit in der Asylberatung, über die Anerkennung von „Fantasiepapieren“ und ein Miteinander auf Augenhöhe.

Wer seid ihr? Wie lange gibt es euch schon und worum geht es bei euch?

Wir sind der Sächsische Flüchtlingsrat e.V. und setzen uns seit 1991 für die Interessen von Geflüchteten in Sachsen ein. Wir kämpfen für eine menschwürdige Unterbringung und die Rechte schutzsuchender Menschen. Wir beraten zum Beispiel zu asyl- und aufenthaltsrechtlichen Fragen, sowie über die Zugangsmöglichkeiten zum Arbeits- und Ausbildungsmarkt und wir dokumentieren Verstöße durch Behörden.

Was habt ihr bereits gemeinsam auf die Beine gestellt?

In den letzten Jahren ist es uns gelungen, eine flächendeckende Asylberatung zu installieren, und somit auch Menschen in den ländlichen Regionen zu erreichen. Darüber hinaus schulen wir Haupt- und Ehrenamtliche im Asyl- und Aufenthaltsrecht und haben die Vernetzung sächsischer Beratungsstellen vorangetrieben, um so fachliche Standards in der Beratung zu etablieren. Außerdem machen wir durch intensive Öffentlichkeitsarbeit auf Menschenrechtsverstöße, etwa im Zuge von Abschiebungen, aufmerksam.

Welche Themen und Ziele stehen aktuell im Vordergrund eurer Arbeit?

Momentan beschäftigen wir uns vor allem mit Menschen, die in Lagern untergebracht sind, sogenannten AnkER-Zentren. Dabei ist uns besonders wichtiges Anliegen, dass für die Kinder und Jugendlichen ein regulärer Schulbetrieb möglich ist. Den Menschen in Abschiebungshaft widmen wir uns ebenfalls sehr intensiv. Ein weiteres Thema sind die von uns als „Fantasiepapiere“ bezeichneten Dokumente unterhalb der Duldung, die so vom Gesetz nicht vorgesehen sind. In diesen Fällen kämpfen wir um eine Anerkennung und gegen die damit einhergehenden Sanktionierungen und Arbeitsverbote.

Worin bestehen aktuelle Herausforderungen?

Die Arbeitsbedingungen und Herausforderungen bei uns in Sachsen sind durch 30 Jahre CDU-Regierung leider schon immer sehr schwierig. Durch das Erstarken von AfD und neonazistischen Bewegungen wie Pegida sind aber deutlich mehr Restriktionen in der Gesetzgebung und deren Auslegung spürbar. Das macht sich besonders beim Thema Abschiebungen bemerkbar: Kinder und Jugendliche werden fixiert, Familien getrennt, Kranke und Schwangere abgeschoben und es wird gegen die Unverletzlichkeit der Wohnung verstoßen. Der Fokus der zuständigen Behörden liegt eindeutig auf Abschreckung und Sanktionierung. Durch die Abschottungspolitik der EU merken wir auch einen deutlichen Rückgang von neuankommenden Geflüchteten in Sachsen.

Was wünscht ihr euch für die Zukunft?

Wir wünschen uns Akzeptanz für unsere Arbeit. Es wäre wünschenswert, wenn der Freistaat Sachsen die Notwendigkeit von Beratungsangeboten für Geflüchtete erkennen würde, anstatt zusammen mit dem Bundesinnenministerium eine Kriminalisierung von NGOs und Landesflüchtlingsräten voranzutreiben. Es wäre hilfreich, wenn sich die politischen Verantwortlichen klar gegen Rechtsradikalismus positionieren und für die Grundwerte einer offenen und solidarischen Gesellschaft einstünden.

Was bedeutet unteilbar für euch? Was versteht ihr unter einem solidarischen Miteinander?

#unteilbar stellt für uns ein zentrales Moment im Kampf für eine Gesellschaft der Vielen dar. Für Vereine wie den Sächsischen Flüchtlingsrat ist es unglaublich motivierend zu sehen, dass wir nicht alleine sind, sondern verdammt viele Menschen, die sich gegenseitig unterstützen, sich Mut zusprechen und geschlossen gegen den gesellschaftlichen Rechtsruck vorgehen. Ein solidarisches Miteinander bedeutet für uns, dass Herkunft, Geschlecht oder sexuelle Orientierung keine Rolle spielen. Dass es in unserer Gesellschaft einen Platz für Träume und Visionen für alle hier Lebenden gibt, dass wir uns gegenseitig unterstützen und respektieren, wir uns auf Augenhöhe begegnen und bei allen Problemen den Dialog nicht abbrechen lassen.

Was können wir alle tun, um uns gegenseitig zu unterstützen und Haltung zu zeigen?

Unterschiedliche Ansätze und Motivationen politischer Auseinandersetzung akzeptieren. Egal, ob ich eine Straße blockiere, mit meinen Nachbarn eine Menschenkette bilde oder ein Straßenfest auf die Beine stelle: wir sollten mehr auf das achten, was uns verbindet, als auf das, was uns trennt.

Wie kann man wirklich etwas bewirken?

Veränderung beginnt bei einem selbst, im eigenen Kopf. Das ist der erste Schritt und könnte schon die größte Revolution sein. Um etwas zu bewirken, reicht ein freundliches Lächeln im Bus oder die Besetzung von bedrohten Waldstücken oder vieles andere. Die Möglichkeiten sind schier endlos. Es muss also nicht der politische Aktivismus sein, um sich einzubringen. Wichtig ist nicht zu schweigen, wenn man auf einen Missstand aufmerksam wird. Manchmal muss man vielleicht die Komfortzone verlassen, aber das muss jede*r für sich selbst herausfinden.

Wie kann man sich euch anschließen und selbst aktiv werden?

Ihr könnt Mitglied bei uns werden, uns finanziell unterstützen oder einfach zum Telefonhörer greifen, uns anrufen und wir besprechen, wie eine praktische Unterstützung aussehen kann. Wir freuen uns auf dich!

Im Interview: Thomas vom Sächsischen Flüchtlingsrat

Links:

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Dieser Blog-Artikel ist zuerst beim Blog Resonanzboden erschienen.

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